Projekt "kultursinn" - Botschafter Poings
Erstmalige Durchführung im Schuljahr 2022/23
In einer Müllstadt leben – Könnt ihr euch das vorstellen? Dazu würde gehören, dass ihr eure eigene Komfortzone verlasst, Armut von erster Hand erlebt, familiäre Schicksalsschläge an euch lasst und euch in eurer Lebensweise, die ihr aus Deutschland gewohnt seid, verändern müsst.
Unsere zwölf ProjektteilnehmerInnen Linda Fahr (9c), Elisa Schneider (9c), Lara Gehlert (9c), Madalena Strasser (9d), Emily Roth (9e), Timea Lippai (10c), Franka Jazbinsek (10d), Patrik Migas (9a), Till Kalmbach (9c), Tim Gehlert (9d), Jonas Eittinger (9d) und Samuel Volkwein (10b) waren bereit, sich dieser Herausforderung zu stellen.
Im März 2023 besuchten wir für neun Tage die Müllstadt in der Metropole Kairo. Primäres Ziel unserer Reise war es, Kindern und Jugendlichen in ihrem oft tristen Alltag eine glückliche Zeit zu schenken und gleichzeitig das „Leben im Müll“ kennenzulernen.
Meinungen der Teilnehmenden: Warum wolltest du an dieser Reise teilnehmen?
Patrik:
Als Frau Blaha und Herr Reichle in unser Klassenzimmer kamen und die Präsentation vorgestellt hatten, dachte ich mir: „Wow, da will ich mitmachen´. Dieses Projekt war auch im Generellen was anderes, was richtig Krasses. Und da dachte ich mir: Ein Schulprojekt in einem anderen Land, du kannst armen Kindern in deinem Alter helfen und dabei auch Kairo besichtigen, da muss ich mich bewerben!!!
Samuel:
Auf den ersten Blick fand ich das ganze Projekt bei der Vorstellung sehr herausfordernd und betrachtete es tatsächlich eher mit Respekt. Doch als ich das Projekt mal genauer unter die Lupe nahm, wurde das Ganze für mich attraktiv und spannend: neue Leute kennenlernen, auf einen Kontinent reisen, den ich noch nie zuvor besucht habe, und dabei Kinder und Jugendliche aus der Müllstadt kennenlernen, die es nicht so einfach haben wie wir. Mal neue Erfahrungen annehmen und aus der Komfortzone treten, das waren für mich die Stichwörter. Ich bin immer sehr neugierig und liebe es, mit der Schule auf Ausflüge mit anderen Schülern zu gehen. Trotz einiger Ängste, die ich vor der Reise hatte, blieb auch noch etwas für die Vorfreude übrig. Im Nachhinein scheint das alles gar nicht so schlimm. Die Woche hat jeder gut durchgestanden und jeder war danach glücklich. Vor allem ich!
Am ersten Tag unserer Reise lernten wir die Müllstadt vor Ort kennen.
Zum Hintergrund: Mehrere Stadtteile haben sich in Kairo zu sogenannten Müllstädten entwickelt. Der Müll aus Kairo wird dorthin gebracht und von Hand sortiert. Die Menschen sitzen zwischen hohen Abfallhaufen und trennen Papier von Plastik, Metall von Essensresten und sonstigem Unrat. Dinge, die wieder verwertet werden können, kaufen Firmen auf. Die Müllstadtbewohner leben von dem Erlös. Der Rest bleibt auf den Sortierplätzen und Straßen liegen. Dementsprechend groß sind die Probleme, mit denen diese Menschen jeden Tag zu kämpfen haben: Staub, Schmutz, Gestank, Krankheiten und enorme hygienische Probleme.
Eindrücke der Teilnehmenden vor Ort: Wie hast du das Leben im Müllstadt wahrgenommen?
Franka:
Ich habe das Leben in der Müllstadt sehr einfach und genügsam wahrgenommen. Auch ein krasser Eindruck war der ganze Müll und Dreck, weil es doch stark im Kontrast zu den schicken und gestylten Outfits der Bewohner stand. Ich fand zwar, dass das Leben dort, abgesehen von dem ganzen Gehupe der Autos, sehr entspannt gewirkt hat, jedoch trügt das. Ich glaube, mein persönliches Ereignis waren die Menschen, teilweise so jung, die mit Blechen voll Fladenbrot auf dem Kopf balancierend, durch die Straßen gegangen waren. Das fand ich echt beeindruckend.
Linda:
Neben den Gerüchen und den einfachen Wohnhäusern sind mir vor allem die Offenheit der Einwohner und deren Gastfreundschaft aufgefallen. Natürlich war alles erst mal ein Schock, aber nachdem ich mich dran gewöhnt habe, habe ich gemerkt, dass die Kinder nicht anders sind als ich. Der einzige große Unterschied war unsere Wohnung und die Menge an Gegenständen, mit denen wir leben. Die Menschen dort haben eine wahnsinnig große Lebensfreude.
Timea:
Obwohl die Leute in der Müllstadt unter fürchterlichen Umständen leben, sind sie wirklich glücklich und versuchen, ihr Bestes zu geben. Ich habe mich zuerst unwohl gefühlt, weil ich als Besucherin aus einer besseren Umgebung komme und nicht respektlos wirken wollte, aber die Menschen dort waren alle so freundlich und zuvorkommend. Trotzdem gab es Momente, die schrecklich anzusehen waren. Vor einem Haus stand z.B. ein kleiner Junge, der einem Mann nach Gewicht versucht hat, alles zu verkaufen, was er hatte (sogar sein Spielzeug!), nur um ein wenig Geld zu bekommen. Er wollte so viel wie möglich erhandeln und diskutierte mit dem älteren Herrn. Den kleinen Jungen danach zu sehen, wie er sofort weiter im Müll nach wertvollen Dingen suchte, war wirklich schlimm.
Der Verein Müllstadtkinder Kairo e.V. aus dem Allgäu, mit welchem die Reise in Zusammenarbeit geplant wurde, hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Kindern der Müllstadt eine Kindergarten-Betreuung sowie Schulbildung zu ermöglichen. Die Kindertagesstätte besuchten wir mit dem Ziel, die Vereinsarbeit zu unterstützen und den Kindern eine gute Zeit zu bieten. Hierfür reisten wir mit 15 Spendenkoffern, die neben Winterjacken, Zahnbürsten und Taschenrechnern auch eine Vielzahl von Mandalas, Buntstiften, Seifenblasen und Bobby-Cars enthielten, an. An dieser Stelle möchten wir uns im Namen aller Kinder für die großzügige Spendenbereitschaft bedanken. Vor Ort konnten die TeilnehmerInnen auch Hilfe leisten, indem sie Unterrichtssequenzen planten und englische Patenschaftsbriefe verfassten. Natürlich wurde aber im Kindergarten auch viel gespielt.
Eindrücke der Teilnehmenden: Was war dein persönliches Highlight im Kindergarten?
Elisa:
Ich fand die Zeit im Kindergarten mit den Kindern sehr schön, für mich ist sie leider viel zu schnell vergangen. Wir haben mit ihnen gespielt, gelacht und sie beim Englischlernen unterstützt. Die Kinder waren sehr aufgeschlossen und wollten direkt mit uns spielen. Die unterschiedlichen Sprachen waren für beide Seiten kein Problem. Mein persönliches Highlight im Kindergarten waren die lachenden Gesichter der Kinder, als sie mit den Seifenblasen und dem neuen Bobby-Car gespielt haben.
Lara:
Die Zeit im Kindergarten war leider sehr kurz, dennoch war es eine schöne, ereignisreiche, aber auch prägende Zeit. Sie wird einem immer in Erinnerung bleiben. Alle Kinder so glücklich und lebensfreudig zu sehen, als wir ihnen die Seifenblasen gegeben haben. Auch wenn es für uns nur eine Kleinigkeit ist, war es für die Kinder etwas ganz Besonderes. Dies war für mich einer der schönsten Momente im Kindergarten.
Momente, die uns wirklich bewegt haben, waren die Besuche bei vier Familien in der Müllstadt. Bei ihnen waren wir zum gemeinsamen Essen eingeladen. Hier sollte erwähnt werden, dass sich diese Familien, ohne eine Unterstützung des Vereins, nicht leisten könnten, für so viele Menschen Essen einzukaufen.
In diesem Rahmen erhielten wir die Möglichkeit, Kindern und Eltern persönlich Fragen zum Leben und der Arbeit in der Müllstadt zu stellen. Schnell wurde jedem von uns klar, dass es keinerlei Freizeit abseits vom Müll gibt, denn Arbeit bedeutet, überleben zu können.
Eindrücke der Teilnehmenden: Wie hast du die gemeinsame Zeit bei den Familien wahrgenommen?
Magdalena:
Ich habe die Zeit bei den einzelnen Familien sehr genossen, da wir uns mit den Einheimischen austauschen konnten und einen kleinen Einblick in ihr Zuhause bekamen. Außerdem waren sie alle sehr gastfreundlich und haben uns – neben vielen Köstlichkeiten – immer Getränke angeboten. Mit ein paar Mädls haben wir auch einige TikToks gedreht. Das hat ihnen und auch uns sehr viel Spaß gemacht.
Till:
Ich fand die Zeit sehr berührend und auch sehr interessant, da ich nicht dachte, dass die Menschen in der Müllstadt so schön leben. Ich habe mich wirklich so gefühlt als würde ich dazugehören! Das Essen war unbeschreiblich gut und auch so viel!
Ich habe noch nie so nette Menschen erlebt!
Ein besonderes Anliegen war es uns, Jugendlichen die Möglichkeit zu geben, eine gemeinsame Freizeit abseits der Müllstadt mit uns zu verbringen. So fuhren wir für drei Tage mit 18 Kindern aus der Müllstadt nach Fayoum, einer Oase, direkt an der Wüste. Ein klares Highlight unserer Reise – Warum? Weil sich eine so tolle Dynamik zwischen den deutschen und ägyptischen Kindern entwickelte, intensive Gespräche entstanden und wir hier wirklich das Gefühl hatten, etwas Gutes zu tun. Für immer in Erinnerung bleiben wird uns die gemeinsame Jeep-Tour durch die Wüste – arabische Musik, gemeinsames Essen bei Beduinen, Sandsurfing, trommeln, singen und tanzen, das Gefühl von Freiheit abseits von all den Sorgen und Verpflichtungen in der Müllstadt.
Eindrücke der Teilnehmenden: Was war dein persönliches Highlight in Fayoum?
Jonas:
Auf jeden Fall war ein Highlight die gemeinsame Zeit mit den Jugendlichen, einfach mit ihnen mal in Ruhe reden zu können und mehr über sie zu erfahren.
Ein zweites Highlight war die sehr wilde Fahrt mit den Jeeps durch die Wüste mit viel ägyptischer Musik und guter Laune J Natürlich darf auch das Fußballspielen mit den Jugendlichen, die gar nicht schlecht waren, als drittes Highlight nicht fehlen. In Fayoum wurden auch reichlich neue Freundschaften zwischen uns und den ägyptischen Jugendlichen geschlossen.
Tim:
Ich habe mehrere Highlights, z. B. die Jeep-Tour durch die Wüste, aber: Das größte Highlight waren die Abende mit den Jugendlichen, weil ich es schön fand, wie offen die Jugendlichen waren und wie gastfreundlich oder generell freundlich sie uns gegenüberwaren. Aber auch wie offen sie mit uns geredet haben und wie respektvoll sie uns gegenüber waren.
In Ägypten gewesen zu sein, ohne die Pyramiden besucht zu haben? Unvorstellbar. Selbstverständlich gab es neben unseren sozialen Tätigkeiten auch ein kleines Kulturprogramm für uns.
Beeindruckend war z. B. der Besuch bei der Großen Sphinx von Gizeh, die aus dem Sand der ägyptischen Wüste herausragt, im Hintergrund die Pyramide des Cheops – ein fantastischer Blick.
Eindrücke der Teilnehmenden: Was hat dir besonders an Kairo gefallen?
Timea:
Es war wirklich cool, neben dem sozialen Projekt auch etwas von den berühmten Sehenswürdigkeiten Ägyptens zu sehen. Wie oft in seinem Leben bekommt man schon mal die Chance dazu? Am meisten hat mir der El Azar Park bei Sonnenuntergang gefallen, wo wir die Menschen auch beobachten konnten, die alle entspannt und glücklich waren. Es herrschte dort einfach eine magische Atmosphäre, die ich nie vergessen werde!
Emily:
Die Freizeit in unserem Aufenthalt in Kairo hat mir sehr gefallen. Da man neben den prägenden Tagesereignissen auch Zeit hatte, Sehenswürdigkeiten oder Momente zu erleben, die ich wahrscheinlich nie wieder so in dieser Form mit dieser Gruppe erleben werde. Am besten hat mir der Ausflug zu den Pyramiden gefallen, da man nicht oft die Chance im Leben hat, sowas Einzigartiges zu sehen, wo ich auch zum ersten Mal in meinem Leben auf einem Kamel reiten durfte. Ich bin sehr dankbar dafür, sowas erlebt haben zu dürfen. Es war ein sehr prägendes und bedeutendes Projekt für mich.
Die Reise nach Kairo hat uns sowohl fasziniert als auch geerdet, denn uns allen wurde vor Augen geführt, in welch privilegierter Lage wir in Deutschland leben.
Jonas fasst unsere Reise wie folgt zusammen:
„Ich habe immer gesagt, ich will mal reich werden. Jetzt weiß ich, dass ich es schon bin.“